Insichgeschäft des mutmaßlichen Alleinerben mit transmortaler Vollmacht – relevante Norm: § 181 BGB

Insichgeschäft des mutmaßlichen Alleinerben mit transmortaler Vollmacht – relevante Norm: § 181 BGB

Insichgeschäft des mutmaßlichen Alleinerben mit transmortaler Vollmacht – relevante Norm: § 181 BGB

Einleitung:
In einem interessanten Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg (OLG) beschäftigte dieses sich mit der transmortalen Vollmacht und dem Insichgeschäft. Das sogenannte Insichgeschäft – also die Vornahme einer Rechtsänderung durch eine Person, die sowohl auf der Seite des Vertretenen als auch im eigenen Namen oder im Namen eines Dritten auftritt – ist nach § 181 BGB grundsätzlich rechtlich beschränkt (Grüneberg/Ellenberger, BGB § 181 Rn. 1). Wie ist jetzt also ein Fall rechtlich einzuordnen, in dem die vom Erblasser Bevollmächtigte mit sich selbst – als (vermeintliche) Alleinerbin – einen Vertrag schließt?

Sachverhalt:
In dem vorliegenden Sachverhalt erteilte der nun verstorbene Ehemann der Antragstellerin dieser eine Generalvollmacht „die durch das Ableben des Vollmachtgebers nicht erlöschen sollte (transmortale Vollmacht)“ (OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.03.2024 – 15 Wx 2176/23, Rn. 1). Die Vollmacht enthielt auch eine Aufhebung der Beschränkungen des § 181 BGB. Nach dem Tod ihres Ehemannes schloss die Antragstellerin einen notariellen Vertrag über dessen Grundbesitz, bei welchem sie auf der Veräußererseite für die Erben ihres Ehemannes und auf der Erwerberseite im eigenen Namen auftrat. So erfolgte die Einigung und die Beantragung der Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch.

AG Weißenburg:
Das zuständige Grundbuchamt des Amtsgerichts Weißenburg (AG) wies die Beantragung zurück, da aufgrund der Alleinerbenstellung der Antragstellerin und der Annahme der Erbschaft die erteilte Vollmacht durch Konfusion erlösche. Die Forderung sei mithin dadurch erloschen, dass Gläubigerin und Schuldnerin der Forderung durch Rechtsnachfolge personengleich würden. (So auch https://www.ndeex.de/glossar/k/konfusion/ zu dem Begriff der Konfusion). Es sei somit nur eine Eintragung aufgrund einer Grundbuchberichtigung mittels Erbscheins möglich. Hieraufhin widersprach der Urkundsnotar mit der Anmerkung, dass die Antragstellerin nicht als mögliche Erbin gehandelt habe, sondern als durch wirksame Vollmacht berechtigte Vertreterin der Erben ihres Ehemannes. Das AG wies den Antrag der Eintragung jedoch erneut mit der zuvor genannten Argumentation zurück. Hiergegen legte der Urkundsnotar Beschwerde ein. Der Beschwerde half das AG Weißenburg nicht ab und berief sich auf seine bisherige Argumentation.

OLG Nürnberg
Das OLG Nürnberg sah die Voraussetzungen für die Eintragung der Antragstellerin als Eigentümerin als gegeben an. Das AG habe zu prüfen gehabt, inwieweit die Antragstellerin die Erben des Eigentümers durch eine wirksame Vollmacht vertreten habe. Die Antragstellerin dürfe vorliegend durch die wirksame Vollmacht des Erblassers und die darin enthaltene Befreiung von § 181 BGB die Erben in ihrer Gesamtheit vertreten. Grundsätzlich müsse das Grundbuchamt von dem Fortbestehen der transmortalen Vollmacht ausgehen. Das OLG verwies jedoch auf den Streitstand bezüglich der Frage, inwiefern eine solche Verfügung des Vertreters wirksam sei, wenn dieser gleichzeitig Erbe des Vertretenen wäre. Bei diesem Streitstand sei nicht der Ansicht zu folgen, dass eine Eigentumsumschreibung durch eine Bevollmächtigte, die zugleich Alleinerbin ist, durch Konfusion erlösche. Viel eher sei der Ansicht zu folgen, dass aus der Alleinerbenstellung der Bevollmächtigten und einer Einigung derselben mit sich als Bevollmächtigten kein Hindernis für die grundbuchrechtliche Eigentumsübertragung entstehe, da die Legitimationswirkung der Vollmacht bestehen bleibe.

„Dieser Auffassung schließt der Senat sich an. Ausschlaggebend hierfür ist das Argument, dass für das Grundbuchamt die materielle Rechtslage in Bezug auf die Erbenstellung des Bevollmächtigten bis zur Vorlage eines förmlichen Nachweises nicht maßgeblich sein kann […] sondern die Erbfolge keine Bedeutung für die Entscheidung über die Grundbucheintragung hat […].“ (Rn. 18)

Das OLG erläuterte, dass § 35 GBO die verwertbaren Nachweise allein auf den Erbschein und letztwillige Verfügungen in öffentlichen Urkunden beschränke. Das Grundbuchamt habe in dem vorliegenden Fall aber gerade keine Kenntnis vom Erlöschen der Vollmacht erlangt und dürfe auch nicht ermitteln, ob über die durch § 35 GBO geregelten Nachweise hinaus Eintragungshindernisse bestünden.

„Dies führt dazu, dass – obwohl es aufgrund des aus der Nachlassakte desselben Amtsgerichts festgestellten Sachverhalts (eigenhändiges Testament zugunsten der Antragstellerin als Alleinerbin, Eröffnung, Annahmeerklärung) nach derzeitigem Stand sehr wahrscheinlich ist, dass die Antragstellerin Alleinerbin wurde, so dass durch den Erbfall ein Zusammenfallen der Personen der Vollmachtnehmerin und des Vollmachtgebers (in Person seiner Alleinerbin) eingetreten sein könnte – diese Erkenntnis grundbuchverfahrensrechtlich nicht verwertbar ist. Vorliegend liegt nämlich kein Nachweis in der Form des § 35 GBO vor, da es laut Nachlassakte nur zwei Testamente gibt.“ (Rn. 21)

Hinweis:
Die Ausführungen des OLG Nürnberg sind überaus interessant, stehen doch im Fokus der Entscheidung die Stärkung der Aussagekraft der transmortalen Vollmacht und die Beschränkung der grundbuchrechtlichen Ermittlung. Ausdrücklich verweist das OLG Nürnberg darauf, dass seine Rechtsprechung nicht der bisherigen Rechtsprechung des OLG Hamm und des OLG München widerspräche, da sich in den diesen Gerichten vorliegenden Fällen die Verfügenden ausdrücklich auf ihre Alleinerbenstellung berufen hätten. Das OLG München erläutert in seinem Urteil vom 31.08.2016 (34 Wx 273/16):

„Gegenstand der Entscheidung bildet nicht die Frage, inwieweit trans- oder postmortale Vollmachten nach dem Tod des Vollmachtgebers weiterverwendet werden können, jedenfalls solange der Bevollmächtigte nicht als (Allein-)Erbe mit den in § 35 GBO aufgezeigten Nachweisen legitimiert ist. Eine großzügige Handhabung, die an den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs ausgerichtet ist […], erscheint auch dem Senat insoweit durchaus angemessen und steht mit den Nachweiserfordernissen des Grundbuchverkehrs in Einklang […].“ (OLG München, Beschl. v. 31.08.2016 – 34 Wx 273/16, Rn. 24)

Es bleibt also festzuhalten, dass die Ermittlungsbefugnis des Grundbuchamtes stark beschränkt ist. Liegt kein Nachweis in Form des § 35 GBO über die Alleinerbenstellung vor, so ist davon auszugehen, dass ein Insichgeschäft mit transmortaler Vollmacht vorgenommen werden kann.

Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.03.2024 – 15 Wx 2176/23
Grüneberg/Ellenberger, BGB § 181 Rn. 1
https://www.ndeex.de/glossar/k/konfusion/ (zuletzt: 19.06.2024)
OLG München, Beschl. v. 31.08.2016 – 34 Wx 273/16

Relevante Norm:

§ 181 BGB – Insichgeschäft
Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

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