
Online-Eheschließung: §§ 1310, 1311 BGB, Art. 13 EGBGB

Einleitung:
Im Rahmen fortschreitender Digitalisierung und Globalisierung werden Vorgänge, die bislang die gleichzeitige physische Anwesenheit erforderten, zunehmend online durchgeführt.
Doch was kann alles „digital“ geregelt werden? Wo gibt es rechtliche Grenzen? Ein Teammeeting ist zweifelsohne per Videokonferenz möglich, aber wie sieht es beispielsweise bezüglich einer Eheschließung aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich das OVG Berlin-Brandenburg ebenso wie der BGH in zwei unterschiedlichen Fallkonstellationen.
Sachverhalt:
Eine afghanische Staatsangehörige hatte im Rahmen der Beantragung eines Visums zum Ehegattennachzug zu ihrem in Deutschland lebenden Partner eine Ablichtung einer afghanischen Heiratsbescheinigung vorgelegt. Der Partner hielt sich jedoch zum Zeitpunkt der, in der Urkunde ausgewiesenen, Eheschließung, nicht vor Ort in Afghanistan sondern in Deutschland auf. Nach Angaben der Antragstellerin war ihr Partner daher zum Zeitpunkt der Eheschließung per WhatsApp-Videoanruf unter Anwesenheit von Zeugen zugeschaltet.
Die deutsche Botschaft lehnte den Antrag auf Erteilung eines Visums mit der Begründung ab, es liege keine wirksame Ehe vor.
VG Berlin:
Das Verwaltungsgericht Berlin gab der Klage gegen den Ablehnungsbescheid statt. Nach der Rechtsauffassung des Gerichts sei für die Eheschließung islamisches Scharia-Recht anzuwenden gewesen. Dies setze lediglich die Zusammenkunft unter der Anwesenheit zweier männlicher Zeugen voraus und den Nachweis einer Brautgabe. Diese Voraussetzungen waren bei der Eheschließung der Antragstellerin erfüllt und die Ablehnung des Antrags damit rechtswidrig.
OVG Berlin-Brandenburg:
Dieser Auffassung schloss sich das OVG als Berufungsinstanz nicht an. Weil sich der Partner aus Deutschland zugeschaltet hatte, sei Deutschland zumindest auch Ort der Eheschließung. Die Eheschließung müsse sich folglich auch an deutschem Recht messen lassen. Die lediglich „digitale“ Anwesenheit erfülle nicht die Voraussetzungen einer gleichzeitigen physischen Anwesenheit, die § 1311 S. 1 BGB für eine wirksame Eheschließung nach deutschem Recht erforderlich ist.
Das OVG betonte in seinem Urteil, dass dieses Erfordernis ein Sicherungsinstrument des freien und unbeeinflussten Willens zur Eheschließung der Parteien sei und in diesem Umfang nur vor Ort sichergestellt werden könne. Nach der Ansicht des Gerichts lag demnach keine wirksame Eheschließung vor und die Ablehnung des Antrags durch die Botschaft erfolgte zu recht.
BGH:
Einen ähnlichen Fall entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2024. Es ging darum, ob eine unter Anwesenheit in Deutschland geschlossene Ehe durch einen per Video-Telefonie zugeschalteten Standesbeamten aus Utah (USA) wirksam sei. Die Eheschließenden waren sich der Wirksamkeit ihrer Ehe selbst unsicher, weshalb sie versuchten, die Eheschließung nach deutschem Recht nachzuholen. Das zuständige Standesamt weigerte sich jedoch zunächst, die Ehe zu schließen. Es sollte zunächst die Wirksamkeit der bereits in Utah geschlossenen Ehe geklärt werden. Im Falle der Wirksamkeit sei zu klären, ob dies einer erneuten Eheschließung in Deutschland entgegenstehen würde.
Schlussendlich entschied der BGH über die Frage und stellte ebenfalls fest, dass die Formvorschriften nach deutschem Recht nicht eingehalten wurden. Die Anwendung deutschen Rechts begründete der BGH mit Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB, welcher bei einer Eheschließung im Inland auch die inländischen Formvorschriften erfordert.
Zwar hielten sich in diesem Fall die beiden Ehegatten in Deutschland auf, nicht aber der Standesbeamte. Damit seien die maßgeblichen Formvorschriften der §§ 1310, 1311 BGB nicht erfüllt.
Obwohl die Ehe in den USA gültig ist, sei sie in Deutschland unwirksam und eine erneute Eheschließung nach deutschem Recht sei möglich.
Hinweis:
Die in den Urteilen vertretene Rechtsauffassung ist keinesfalls unumstritten. Sie trifft insbesondere bezüglich des Ortes der Eheschließung, welchen die Gerichte jeweils in Deutschland sahen, auf Gegenwind in der familienrechtlichen Literatur. Von dieser Auslegung hängt jedoch maßgeblich nach Art. 13 IV EGBGB das anzuwendende Recht ab.
Quellen:
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.08.2024 (AZ. 6 B 1/24)
BGH, Beschluss vom 25.9.2024 (AZ. XII ZB 244/22)
Relevante Normen:
- §§ 1310, 1311 BGB, Art. 13 EGBGB
- § 1310 Zuständigkeit des Standesbeamten, Heilung fehlerhafter Ehen
(1) Die Ehe wird nur dadurch geschlossen, dass die Eheschließenden vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. (…) - § 1311 Persönliche Erklärung
Die Eheschließenden müssen die Erklärungen nach § 1310 Abs. 1 persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit abgeben. Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung abgegeben werden. - Art. 13 EGBGB Eheschließung
(1) Die Voraussetzungen der Eheschließung unterliegen für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. (…)
(4) 1. Eine Ehe kann im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden. 2. Eine Ehe zwischen Verlobten, von denen keiner Deutscher ist, kann jedoch vor einer von der Regierung des Staates, dem einer der Verlobten angehört, ordnungsgemäß ermächtigten Person in der nach dem Recht dieses Staates vorgeschriebenen Form geschlossen werden; eine beglaubigte Abschrift der Eintragung der so geschlossenen Ehe in das Standesregister, das von der dazu ordnungsgemäß ermächtigten Person geführt wird, erbringt vollen Beweis der Eheschließung.