
§ 2317 BGB – Pflichtteilsanspruch nach Vaterschaftsfeststellungsverfahren

Einleitung:
Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zeigt, dass die fachliche Kombination von Familienrecht in Kombination und Erbrecht absolut sinnvoll ist. Denn familienrechtliche und erbrechtliche Sachverhalte überschneiden sich oft. Darüberhinaus sind Sachverhalte aus dem Familien- und/oder Erbrecht häufig auch mit Problemen aus dem Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verbunden.
Sachverhalt:
Im vorliegenden Fall klagte die Tochter des 2017 verstorbenen Erblassers gegen den eingetragenen und durch Testament zum alleinigen Erben bestimmten Lebenspartner des Erblassers. Die Klägerin erlangte im Jahre 2017 Kenntnis von dem Erbfall und leitete 2022 ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren ein. Noch in demselben Jahr wurde durch Beschluss des Amtsgerichts festgestellt, dass die Klägerin die leibliche Tochter des Erblassers ist. Daraufhin forderte die Klägerin den Beklagten zur Auskunftserteilung auf und erhob im Jahre 2023 Stufenklage. Der Beklagte berief sich auf die Einrede der Verjährung.
Instanzengang:
Während das Landgericht Aachen (LG) die Klage abwies, verurteilte das Oberlandesgericht Köln (OLG) den Beklagten auf Auskunftserteilung und Wertermittlung. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des LG.
BGH:
Der BGH stimmte der Ansicht des LG zu. Aufgrund der Vaterschaftsfeststellung nach § 1592 Nr. 3, § 1600d BGB sei die Klägerin ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling und aufgrund des sie enterbenden Testaments stünden ihr Pflichtteils-, Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche gegen den Beklagten zu.
Diese Ansprüche der Klägerin seien jedoch bereits verjährt. Der Pflichtteilsanspruch entstehe nach § 2317 Abs.1 BGB mit dem Erbfall, hier also mit dem Tode des Erblassers im Jahre 2017. Eine postmortale und somit spätere Feststellung der Vaterschaft ändere an dem Entstehungszeitpunkt des Anspruches nichts. Die Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 5 BGB führe vorliegend gerade nicht dazu, dass sich der Zeitpunkt der Entstehung des Pflichtteilsanspruchs ändere. Etwaige Pflichtteilsansprüche könnten jedoch erst mit einer wirksamen Feststellung der Vaterschaft geltend gemacht werden.
„Im Unterhaltsrecht ist anerkannt, dass die Verjährungsfrist für den Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes nicht vor der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft in Lauf gesetzt werden kann […].“ (Rn. 12)
Der eindeutige Wortlaut des § 2317 Abs. 1 BGB, sowie seine Entstehungsgeschichte würden verdeutlichen, dass der Pflichtteilsanspruch den allgemeinen Verjährungsregelungen unterworfen sei. Hierfür sprächen auch Sinn und Zweck der Vorschrift.
„§ 2317 Abs. 1 BGB bestimmt einschränkungslos, dass der Anspruch mit dem Erbfall entsteht. Hieran knüpfen dann die beiden Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB (Entstehung des Anspruchs) und Nr. 2 (Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umstände und der Person des Schuldners) an. Durch die Anwendung dieser allgemeinen Vorschriften wird den Interessen des Erben und des nichtehelichen Kindes gedient.“ (Rn. 17)
Diese Vorgehensweise schütze das Interesse des Erben an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden und auch die Interessen des nichtehelichen Kindes durch die Voraussetzung der Kenntnisnahme. Auch, dass im Einzelfall – wenn z. B. eine Vaterschaftsanerkennung ungünstig spät erfolge – eine Verjährung des Pflichtteilsanspruchs bereits eingetreten sein könnte, rechtfertige keine von dem Wortlaut der Vorschrift des § 2317 Abs. 1 BGB abweichende Auslegung. Für die Voraussetzung der Kenntnisnahme müsse der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von dem Erbfall, der ihn beeinträchtigenden Verfügung und der familiären Verbindung zum Erblasser haben. Zu beachten sei hier, dass durch § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB eine Gleichstellung von Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis erfolge. Für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit bedürfe es einer Betrachtung des Einzelfalls, an deren Ende die Feststellung eines schweren Obliegenheitsverstoßes des Gläubigers in seinen eigenen Angelegenheiten stünde.
„Hier wäre der Pflichtteilsanspruch der Klägerin angesichts der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) und der Klageerhebung im Jahr 2023 verjährt, wenn der Klägerin vor dem 1. Januar 2020 grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen wäre, weil sie das gerichtliche Feststellungsverfahren nach § 1600d Abs. 1 BGB nicht schon früher betrieben und damit ihre Kenntnis von der Vaterschaft des Erblassers hinausgeschoben hat, und wenn während des Laufs der Verjährungsfrist kein Hemmungstatbestand gemäß §§ 203 ff. BGB vorgelegen hätte, der eine Verjährung bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung gehindert hätte.“ (Rn. 22)
Die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen sei hier nur unzureichend durch das Berufungsgericht erfolgt,. Vorträge der Klägerin, die zu ihrer Entlastung geführt hätten, wurden nicht weiterverfolgt. Die Hilfsansprüche der Auskunfts- und Wertermittlung würden zudem nicht später verjähren als ihr Hauptanspruch – hier der Pflichtteilsanspruch. Im vorliegenden Sachverhalt sei auch keine Ausnahme gegeben, die ein Informationsinteresse der Klägerin rechtfertigten, nach welchem die Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung später verjähren. Ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 205 BGB komme aufgrund mangelnden Parteiwillens ebenfalls nicht in Betracht.
Hinweis:
Das Berufungsgericht hat sich also neuerlich mit der Verjährung der Ansprüche zu befassen. Das Urteil zeigt, dass Ansprüche schnellstmöglich geltend gemacht werden sollten – idealerweise zu dem Zeitpunkt, an dem die den Anspruch begründenden Umstände bekannt sind. Der Eintritt der Verjährung eines Anspruchs kann und sollte stets verhindert werden.
Quellen:
BGH, Urt. v. 12.03.2025 – IV ZR 88/24
Relevante Normen:
- § 2317 BGB -Entstehung und Übertragbarkeit des Pflichtteilsanspruchs
(1) Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht mit dem Erbfall.
(2) Der Anspruch ist vererblich und übertagbar.
Beitragsbild: ©AdobeStock: Ingo Bartussek