Pflichtteilsstrafklausel: Auslegung der Formulierung „entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten“

Pflichtteilsstrafklausel: Auslegung der Formulierung „entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten“

Pflichtteilsstrafklausel: Auslegung der Formulierung „entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten“

Einleitung:
Wann ist in Bezug auf eine Pflichtteilsstrafklausel ein entgegenstehender Wille der Ehegatten anzunehmen? Diese Frage beantwortete das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) in einem Beschluss und verwies auf die Auslegungsbedürftigkeit der Formulierung „entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten“.

Sachverhalt:
Die betroffenen Ehegatten hatten einander in einem gemeinschaftlichen handgeschriebenen und von beiden unterzeichneten Testament als alleinige Vollerben bedacht. Als ihre Schlusserben haben sie ihre beiden gemeinsamen Kinder eingesetzt. In einer selbst ernannten „Pflichtteilsklausel“ regelten die Ehegatten, dass wenn eines ihrer Kinder nach dem Tode des Erstversterbenden „entgegen dem Willen des überlebenden Ehegatten“ einen Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend mache, dieses nicht mehr Erbe des länger lebenden Ehegatten sei.

Gut fünf Jahre nach dem Verfassen des Testaments starb der Ehemann und die Ehefrau beerbte diesen aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments. Die Tochter des Ehepaares und die verbliebene Ehegattin einigten sich anwaltlich auf die Zahlung des Pflichtteils an die Tochter.

Sieben Jahre später beantragte der Sohn der Ehegatten die Erteilung eines Alleinerbscheins, mit der Begründung, dass seine Schwester durch die Forderung ihres Pflichtteils von der Erbfolge ausgeschlossen sei. Die Tochter der Ehegatten trat dem Antrag entgegen, da sie sich mit der Erblasserin geeinigt und nicht gegen ihren Willen gehandelt habe. Das Amtsgericht Kaiserslautern (AG) stimmte der Ansicht des Sohnes der Ehegatten zu. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Tochter der Ehegatten.

OLG Zweibrücken:
Auch das Oberlandesgericht Zweibrücken stimmte der Ansicht des Sohnes der Ehegatten zu.
Die Tochter habe unstreitig ihren Pflichtteil erhalten. Streitentscheidend sei hier vorliegend die Beantwortung der Frage, ob die Geltendmachung und der Erhalt des Pflichtteils gegen den Willen der Erblasserin erfolgt sei und somit die auflösende Bedingung aus dem Testament eintrete. Somit bedürfe es der Auslegung, wann ein Kind gegen den Willen eines überlebenden Ehegatten handele. 

„Eine in einer letztwilligen Verfügung aufgenommene Pflichtteilsstrafklausel hat das Ziel die Geltendmachung des Anspruchs unattraktiv zu machen und den Nachlass [„] zusammenzuhalten“, das heißt den längerlebenden Ehepartner von Zahlungspflichten zu befreien und diejenigen Kinder zu belohnen, die den Erben nicht mit der Auseinandersetzung mit einem Pflichtteilsberechtigten belasten […]. So soll den Kindern die Motivation genommen werden, den überlebenden Ehegatten nach dem ersten Erbfall mit dem Pflichtteilsanspruch zu konfrontieren und/oder sich diesen auszahlen zu lassen.“ (Rn. 16)

Es sei davon auszugehen, dass die Ehegatten nach rechtlicher Beratung und unter Anwendung einer Formulierungshilfe eine übliche Testamentsgestaltung gewählt hätten. So hätten die Ehegatten nicht beabsichtigt, dass der Längerlebende ausdrücklich den Pflichtteil verweigern müsse, damit die Pflichtteilsstrafklausel zur Anwendung komme. Es sei zu berücksichtigen, dass, sollte eine ausdrückliche Verweigerung erforderlich sein, dies zu einer großen Rechtsunsicherheit führe, die allein schon in der subjektiven Empfindung der Beteiligten begründet sei. Die Tochter der Ehegatten habe den Willen der Ehegatten missachtet, indem sie den Pflichtteil verlangt habe. Dieses Verlangen enthalte ein „konfrontatives Element“ (Rn. 18): Nicht erforderlich sei, dass die Erblasserin ausdrücklich die Auszahlung des Pflichtteils verweigere oder eine gerichtliche Auseinandersetzung erfolge.

„Unerheblich ist es daher, dass die Erblasserin – rechtlich zutreffend beraten – die Auskunft erteilt und auch die sich daraus ergebenden Pflichtteilsansprüche erfüllt hat, ohne sich auf einen (Rechts-)Streit mit ihrer Tochter einzulassen oder gar eine Verurteilung zu riskieren.“ (Rn. 18)

Somit sei der Sohn testamentarischer Alleinerbe geworden, da die auflösende Bedingung aus dem Testament der Ehegatten eingetreten sei.

Fazit:
Für die Annahme eines entgegenstehenden Willens im Sinne einer Pflichtteilsstrafklausel ist somit ein „konfrontatives Element“ ausreichend. Nicht erforderlich ist die ausdrückliche Verweigerung. Somit ist bei Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs stets eine Handlung gegen den Willen des überlebenden Ehegatten anzunehmen.

Quelle:
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 09.07.2025 – 8 W 56/24

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