Rücktritt vom Erbvertrag & Widerruf eines Testamentes gegenüber Geschäftsunfähigen
Die Entscheidung des Familiensenates des BGH XII ZB 450/20, ErbR 2021, 410 (m. Anm. Horn) vom 27.01.2021 befasst sich mit dem Rücktritt vom Erbvertrag bzw. dem Widerruf eines gemeinschaftlichen Testamentes gegenüber einem tatsächlichen oder doch zumindest befürchtet Geschäftsunfähigen durch Zugang der Erklärung auch an den durch Vorsorgevollmacht gewillkürten Vertreter.
Die Entscheidung des BGH vom 27.01.2021 sorgt für Rechtssicherheit: Die Erklärung über den Rücktritt oder den Widerruf kann auch gegenüber einem Geschäftsunfähigen wirksam erfolgen, wenn sie de/rm gesetzlichen Vertreter*in oder der/dem durch Vorsorgevollmacht Bevollmächtigten zugeht.
Bei Geschäftsunfähigkeit muss die Rücktrittserklärung bzw. der Widerruf zwar gemäß § 1902 BGB grundsätzlich de/rm gesetzlichen Vertreter*in zugehen. Doch stellt der BGH klar, dass der Rücktritt oder Widerruf statt gegenüber der/m gesetzlichen Vertreter*in auch gegenüber einer/m Vorsorgebevollmächtigten, also einer/m gewillkürten Vertreter*in, möglich ist, § 164 Abs. 3 BGB, § 51 Abs. 3 ZPO.
Vorsicht ist jedoch für den noch testierfähigen Vertretenen geboten: Um noch reagieren zu können muss sie/er die Kenntnis vom Rücktritt oder Widerruf gegenüber seiner/m gewillkürten Stellvertreter*in tatsächlich auch erlangen.
Der Zugang der Rücktritts- und Widerrufserklärung beim anderen Ehegatten, der/m Betreuer*in und/oder der/dem Vorsorgebevollmächtigten muss stets durch Übergabe der Ausfertigung der notariellen Urkunde erfolgen. Nur die Ausfertigung ersetzt nach § 47 BeurkG die Urschrift im Rechtsverkehr und erfüllt gem. § 130 BGB den erforderlichen Zugang der formbedürftigen Erklärung entsprechend.
In der Praxis empfiehlt es sich, aus Beweisgründen (§§ 415, 418 ZPO) grundsätzlich auf die Zustellung der Ausfertigung durch die/den Gerichtsvollzieher*in gemäß § 132 BGB, §§ 166 ff., 171 ZPO zurückzugreifen.
Quelle: ZErb 3/2022 S. 93 ff.
©AdobeStock: Beitragsbild: Ingo Bartussek;