Zum Umfang eines Pflichtteilsverzichts gem. § 2346 BGB
Wie können zur Absicherung des überlebenden Ehegatten Pflichtteilsansprüche von Abkömmlingen vermieden werden – ein Frage, die uns in der Praxis häufig begegnet.
Grundsätzlich hat jeder Abkömmling und auch der Ehegatte einen gesetzlichen Anspruch auf einen sogenannten Pflichtteil – also der Mindestteilhabe am Nachlass einer verstorbenen Person. Abgesehen von wenigen seltenen Sonderfällen, bedarf es hierzu einer Vereinbarung mit der pflichtteilsberechtigten Person. Gem. § 2346 BGB kann im Rahmen einer notariellen Vereinbarung ein solcher Pflichtteilsverzicht zwischen dem Abkömmling und dem potenziellen Erblasser vereinbart werden. Dabei stellen sich immer wieder die Fragen: ist dieser Pflichtteilsverzicht endgültig und allumfassend, kann er an Bedingungen geknüpft werden kann, wie z. B. den Erhalt eines Gegenwertes (z. B. einer Abfindungszahlung oder der lebzeitigen Übertragung eines Vermögensgegenstandes) oder kann er gar unter eine aufschiebende oder auflösende Bedingung gestellt werden?
Der häufigste Anwendungsfall eines Pflichtteilsverzichts ist die gegenseitige Absicherung des überlebenden Ehegatten vor den Pflichtteilsansprüchen der Kinder. Sehr häufig geschieht dieses im Rahmeneines sogenannten Berliner Testaments. Darin setzen sich Ehegatten zunächst gegenseitig als Alleinerben ein und dann die Abkömmlinge als Schlusserben. Durch einen Pflichtteilsverzicht der Abkömmlinge kann sichergestellt werden, dass das zum Nachlass gehörende Vermögen ausschließlich dem überlebenden Ehegatten zur Verfügung steht.
Um das Risiko für die verzichtenden Abkömmlinge zu minimieren, gänzlich ohne Teilhabe am Nachlass zu verbleiben, z. B. durch eine Enterbung auch im Schlusserbfall, besteht rechtlich die Möglichkeit, den Pflichtteilsverzicht für den ersten Erbfall unter die sogenannte auflösende Bedingung zu stellen. Der Verzicht entfällt, wenn der Überlebende berechtigt ist, nach dem Tode des Erstversterbenden neu zu testieren und von diesem Recht gebraucht macht. Oder wenn durch Hinzutreten weiterer neuer Pflichtteilsberechtigte (z. B. durch Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten) eine Beeinträchtigung herbei geführt wird, die zum Zeitpunkt der Erklärung des Pflichtteilsverzichts noch nicht gegeben war.
Problematisch wird es, wenn in der entsprechenden notariellen Vereinbarung hierzu keine Ausführungen gemacht werden. Wenn also vom Wortlaut her ein unbedingter Pflichtteilsverzicht erklärt worden ist und dann später die vorgenannten Bedingungen und Änderungen eintreten. Hier stellt sich dann häufig die Frage, ob durch Auslegung des Pflichtteilsverzichtsvertrages eine auflösende Bedingung nachgewiesen werden kann, die zwar nicht ausdrücklich vereinbart ist, aber möglicherweise nach dem Willen der Beteiligten vereinbart worden sein könnte.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Bedingung oder Befristung eines Pflichtteilsverzichtes nicht ausdrücklich formuliert werden muss, sondern tatsächlich auch stillschweigend vereinbart worden sein kann. In einer Gesamtwürdigung der notariellen Verträge sowie der Verfügungen von Todes wegen muss dann geprüft werden, ob eine solche Bedingung möglicherweise ohne explizierte Erwähnung vereinbart worden sein könnte.
Um solche Probleme – die in der Regel immer zu Rechtsstreitigkeiten führen – zu vermeiden wäre es wichtig, in einem Fall eines Pflichtteilsverzichts eindeutig zu regeln, für welche Fälle dieser Verzicht gelten soll und ob es Konstellationen gibt, die es dem Verzichtenden ermöglichen, von diesem Verzicht Abstand zu nehmen.