Verjährung von Pflichtteilsansprüchen & Bestimmtheit des Mahnantrags
Anspruch auf den Pflichtteil und die Pflichtteilergänzung bei nicht ausgeschlagener Nacherbschaft
Erst vor kurzem beschäftigte sich das Oberlandesgericht München eingehend mit der Geltendmachung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Hierbei thematisierte das Gericht nicht nur die Anforderungen an die Formulierung eines Mahnantrags zur Durchsetzung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen, sondern auch die Bedeutung der Einrede der Verjährung.
Sachverhalt
Der Erblasser, der seit 1989 in zweiter Ehe verheiratet war, verfasste mit seiner Ehefrau aus zweiter Ehe ein notarielles gemeinschaftliches Testament, in welchem sich die beiden Eheleute wechselseitig zu Alleinerben einsetzten. In dem Testament stellte der am 25.08.2014 verstorbene Erblasser klar, dass für den Fall, dass seine Ehefrau erneut heiraten sollte, diese für die Hälfte der Erbmasse nur als Vorerbin, für die Kinder des Mannes aus erster Ehe, eingesetzt werden sollte. Am 31.12.2018 beantragte der Kläger den Erlass eines Mahnbescheids über eine Forderung in Höhe von 100.000,00 Euro (nebst Zinsen und Verfahrenskosten) mit der Bezeichnung „Ansprüche nach dem Tod des (…), insbesondere Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche“. Dieser Antrag wurde am 08.01.2019 von dem Rechtspfleger als zu unbestimmt beanstandet und mit der Bezeichnung „Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Tod des (…)“ am 01.02.2019 erlassen, sowie am 06.02.2019 der Ehefrau des Erblassers, also der Beklagten zugestellt. Daraufhin widersprach diese und der Kläger minderte seinen Anspruch wertmäßig. Die Ehefrau erhob die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht München wies die Klage ab und erläuterte im Folgenden, dass die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche des Klägers gerade deshalb nicht beständen, weil dieser die angeordnete Nacherbschaft nicht ausgeschlagen habe. Die Prozessvertretung des Beklagten verwies auf die Unbestimmtheit des Antrags und die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche.
Gegen diese Entscheidung legte nun der Kläger Berufung vor dem Oberlandesgericht München ein. Dieses bestätigte die Ansicht des Landgerichts und wies die Berufung zurück.
Auch das OLG München vertrag die Auffassung, die geltend gemachten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche seien verjährt. Gemäß der dreijährigen Regelverjährung (§ 195 BGB) trat am 31.12.2018 Verjährung der Ansprüche des Klägers ein. Einer Hemmung der Verjährung durch den vor Ablauf der Verjährungsfrist beantragten Mahnbescheid gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.V.m. § 167 ZPO hätten die Unbestimmtheit und somit die fehlende Individualisierung des Antrages entgegengestanden, welche insbesondere für die materielle Rechtskraft des Vollstreckungsbescheides von Bedeutung ist und auch nicht nachgeholt werden konnte. Die Anforderungen an eine Individualisierung des Antrags müssten anhand des Einzelfalls bestimmt werden. Vorliegend hätten insbesondere die einzelnen Posten und mithin die Zusammensetzung der Ansprüche aus dem Antrag für den Antragsgegner ersichtlich sein müssen.
Ungeachtet dessen habe dem Kläger aber auch kein Pflichtteilsanspruch zugestanden, weil dieser als aufschiebend bedingt eingesetzter Nacherbe gerade nicht von der Erbfolge ausgeschlossen sei, was jedoch gem. § 2303 Abs. 1 BGB die zentrale Voraussetzung für einen Pflichtteilsanspruch ist. Zudem habe der Kläger seine Nacherbschaft auch nicht ausgeschlagen, wobei die Anwendbarkeit des § 2306 Abs. 2 BGB, der eine solche Ausschlagung regelt, hier strittig sei. Eine Nichtanwendbarkeit der Norm könnte dazu führen, dass der Kläger auch ohne eine Ausschlagung Pflichtteilsansprüche geltend machen könnte. Dieser Ansicht ist das OLG aber nicht gefolgt.
Einen Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers gem. § 2325 BGB hat das OLG aus den vorgenannten Gründen ebenfalls aubsgeschlossen.
Hinweis: Bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen ist somit stets – sowohl auf Seiten des Klägers als auch auf Seiten des Beklagten – auf die Verjährung der Ansprüche zu achten. Zudem sollten Anträge von vornherein stets ausreichend individualisiert formuliert sein, da eine nachträgliche Individualisierung ggf. durch eine Verjährung nicht mehr erfolgen kann.
Quelle: OLG München, Urt. v. 06.09.2021 – 33 U 7556/20