Versicherung an Eides statt bei notariellem Nachlassverzeichnis
Versicherung an Eides statt durch den Erben gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten bei einem notariellen Nachlassverzeichnis
Dem Pflichtteilsberechtigten steht ein unbeschränkter Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu. Die eidesstattliche Versicherung des Erben bezieht sich zumindest auf den gesamten im Nachlassverzeichnis benannten Bestand und nicht nur auf Teile des Bestandsverzeichnisses, die als Erklärungen vom Erben gekennzeichnet sind.
Unter den Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB ist die/der Erb*in auch dann zur Abgabe einer vollumfänglichen eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn die Auskunft nach § 2314 Abs. 1 S.3 BGB durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilt worden ist (BGH-Urteil vom 01.12.2021 – IV ZR 189/20 (OLG Schleswig Urteil vom 14.07.2020 – 3U 36/19; LG Kiel Teilurteil vom 08.02.2019 – 6O 165/15)).
Laut BGH habe das Berufungsgericht (OLG Schleswig) zu Unrecht angenommen, dass der Anspruch des/der Pflichtteilsberechtigten gegen die/den Erb*in auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB bei Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses im Sinne des § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB auf die Angaben beschränkt sei, die als solche der/s Erb*in gekennzeichnet sind. Der/die Erb*in wählt die/den Notar*in aus und entscheidet allein, ob sie/er das erstellte notarielle Nachlassverzeichnis vorlegt. Der/die Erb*in ist verpflichtet, eigenes Wissen nicht zurückzuhalten und sich bis zur Grenze der Unzumutbarkeit eigenes Wissen zu verschaffen und solches – notfalls durch Unterstützung durch Hilfspersonen – zu vervollständigen (Senatsurteil vom 20.05.2020, Rdnr. 11). In die Formel der Versicherung nach § 261 Abs. 1 BGB sind die vom Erben erforderlich gehaltenen Berichtigungen vom Gericht aufzunehmen.
Für die Beurteilung des Anspruchs auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB ist allein maßgebend, ob Grund zu der Annahme besteht, die/er Verpflichtete habe das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und daher möglicherweise unrichtig, insbesondere unvollständig aufgestellt. Bestünde keine umfassende Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch die Erben – auch bei Erteilung eines notariellen Nachlassverzeichnisses – würde der Sinn und Zweck des notariellen Nachlassverzeichnisses in sein Gegenteil verkehrt. Das notarielle Nachlassverzeichnis würde seiner Bedeutung als größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft gegenüber dem privaten Nachlassverzeichnis weitestgehend entkleidet, wenn die eidesstattliche Versicherung als Kontrollinstrument fehlte (BGH-Urteil vom 01.12.2021, Rdnr. 22).
Eine Berichtigung oder Ergänzung des notariellen Nachlassverzeichnisses könne die/er Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich nicht verlangen. Zu den Ausnahmen vgl. Senatsurteil vom 20.05.2020 – IV ZR 193/19, ZEV 2020, 625. Hier sind in der Praxis und Rechtsprechung Abgrenzungsschwierigkeiten zur Nichterfüllung der Auskunftspflicht auf der ersten Stufe der Stufenklage zu befürchten.
Ab wann wird die/der Pflichtteilsberechtigte bei der Schlechterfüllung der Auskunft über den Nachlass durch die/den Erb*in auf die zweite Stufe der eidesstattlichen Versicherung verwiesen oder bleibt die Auskunft mit dem vorgelegten Nachlassverzeichnis noch so schlecht, dass weiter auf der ersten Stufe der Stufenklage die Erfüllung der Auskunft auf Vorlage eines „nachgebesserten Bestandsverzeichnisses“ verlangt werden kann.
Quelle: ZErb 2/2022, S. 56 ff.